Episode 3 - Wie geht es denn genau? Was braucht es, um wirksame BNE-Angebote zu machen?

Shownotes

Gesprächspartnerin Antje van Look, Biosphärenreservat Pfälzerwald: https://www.pfaelzerwald.de/bne/

UNESCO-Biosphärenreservate – Modellregionen für nachhaltige Entwicklung: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/biosphaerenreservate

BNE-Portal Deutschland: www.bne-portal.de

Handreichung Bildung für nachhaltige Entwicklung an Volkshochschulen Hrsg. Bundesarbeitskreis Politik - Gesellschaft - Umwelt im Deutschen Volkshochschulverband e.V.: https://www.volkshochschule.de/verbandswelt/programmbereiche/gesellschaft/handreichung-bak-bne-an-volkshochschulen.php

Podcast mit best-practice-Beispielen - 10 Folgen: https://www.unesco.de/bildung/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung/podcast-reihe-bne-leben

Pocast Bildung für nachhaltige Entwicklung/ Dr. Christine Schumann, Folge 7: BNE in der Erwachsenenbildung: https://blog.bildungsserver.de/bne-und-erwachsenenbildung/

SDGS: www.17ziele.de

A rounder sense of purpose / Umsetzung der SDGS in Verbindung mit BNE-Kompetenzorientierung: https://aroundersenseofpurpose.eu/

SDG-Tortenmodell: https://www.stockholmresilience.org/research/research-news/2016-06-14-the-sdgs-wedding-cake.html

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Zukunft gestalten – der BNE-Podcast für die Erwachsenenbildung

Wie geht es denn genau? Was braucht es, um wirksame BNE- Angebote zu machen?

Michael Lobeck im Gespräch mit Antje van Look

ML: Herzlich willkommen zum Podcast „Zukunft gestalten - der BNE-Podcast für die Erwachsenenbildung“. Wie geht es denn genau? Was braucht es, um wirksame BNE-Angebote zu machen? Welche Elemente spielen eine Rolle? Brauche ich vielleicht besondere Fähigkeiten? Das ist unser heutiges Thema. Mein Name ist Michael Lobeck und ich darf sie durch diese Podcast-Reihe führen, die Ihnen BNE nahebringt und die Umsetzung in Ihrer Bildungseinrichtung leichter macht. Wie geht es in der Praxis? Das wollen wir heute mit unserem Gast besprechen. Antje van Look vom Biosphärenreservat Pfälzerwald. Einige Hörerinnen kennen sich schon aus unserer Ankündigungsepisode. Herzlich willkommen!

AvL: Ja. Hallo. Herzlich willkommen auch von meiner Seite.

ML: Frau van Look, Sie sind im Biosphärenreservat Pfälzerwald für BNE zuständig. Wie kommt die Verbindung vom Pfälzerwald zum Paritätischen Bildungswerk Hessen zustande? Und warum engagieren Sie sich überhaupt für BNE?

AvL: Für das Paritätische Bildungswerk bin ich als Referentin unterwegs, schon ein paar Jahre in Sachen BNE. Und zum Pfälzerwald komme ich, weil ich hier geboren und aufgewachsen bin. Dann wie in Episode null schon erzählt, ich bin von Hause aus Pädagogin und engagiere mich für den Pfälzerwald seit meiner Kindheit und freue mich, das zu verbinden, meine pädagogische Arbeit mit dem Biosphärenreservat Pfälzerwald. Ich engagiere mich auch deshalb für die BNE, weil es in meinen Augen so unglaublich wichtig ist, unsere globalen Ressourcen in ihrer ganzen Vielfalt zu erhalten, also die natürlichen Ressourcen und ökologischen Ressourcen, also unser, ja, unsere Lebensgrundlage eigentlich. Und wie ich gesagt habe, bin ich eben zugleich Pädagogin und Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet einfach viel gute Methodik mit nachhaltigen Inhalten. Das ist eine Herzensangelegenheit für mich und ich freue mich immer, wenn Neues entsteht und Menschen auch bestärkt werden, um guten Mutes dann Lösungen für unsere Probleme zu finden und Neues zu finden.

ML: Ja, das finde ich sehr nachvollziehbar. Und eine direkte, klare Verbindung sozusagen. Wie ist das denn jetzt in der Erwachsenenbildung? Wir haben ja schon gehört in den vorherigen Episoden, warum BNE so wichtig ist und wie es auch grundsätzlich gehen kann. Aber wie geht es denn jetzt ganz praktisch? Das ist so ein bisschen meine Frage, wenn ich so an Erwachsenenbildung denke, die ich kenne, muss jetzt - ich übertreibe mal - jeder Englischkurs jetzt auf BNE umgestrickt werden?

AvL: Na ja, es geht vielleicht gar nicht so sehr um das Umstricken. Also ich finde es grundsätzlich mal ganz, ganz wichtig, dass auch in der Erwachsenenbildung Bildung für nachhaltige Entwicklung implementiert wird, das haben wir ja, glaube ich auch in der letzten Folge von der Frau Dr. Brock schon gehört, dass wir ja auch viele Erwachsene erreichen müssen, die jetzt in der entscheidenden Funktion sind. Und es geht mir dabei gar nicht, wie gesagt gar nicht so sehr ums Umstricken. Es geht eigentlich mehr um diese Perspektiverweiterung. Das BNE nichts Zusätzliches ist oder nichts, was man extra on top machen muss, sondern dass BNE einfach grundsätzlich als Querschnittsthema überall mitgedacht wird. Das wäre eigentlich mein Ansatz und es ist eine Perspektiverweiterung nach fünf Gesichtspunkten, also inhaltlich nachhaltigkeitsbezogen, aber auch methodisch partizipativ, teilnehmerorientiert, methodisch vielfältig, starker Bezug zum Alltag, aber auch ergebnisoffen. Wir dürfen ja da niemanden überwältigen. Es ist ja keine Weltanschauung, sondern es sind einfach gute Wege, um Entscheidungen zu finden.

AvL: Kompetenzorientiert heißt, wir fördern Entscheidungskompetenzen, Handlungskompetenzen und auch die Kompetenz, sich mit anderen Menschen auszutauschen. Zum Netzwerken und letztendlich auch als gutes Beispiel selbst voranzugehen mit einem ganzheitlichen Ansatz also, dass die eigene Veranstaltung auch nachhaltig organisiert ist, ressourcenschonend organisiert ist.

ML: Wenn man diese Punkte jetzt mal, die Sie genannt haben, sich einzeln anguckt, vielleicht jetzt so wie ich sie jetzt mitbekommen habe, also erst mal vielleicht das inhaltlich nachhaltigkeitsbezogen. Das hat ja einfach eine starke Verbindung zu diesen - hatten wir auch in den Folgen davor schon gesagt - zu den SDGs. Und können Sie da Beispiele nennen? Vielleicht, wo man da so einen Fokus legen kann?

AvL: Ja, ein Beispiel wäre: wir haben ein Projekt für nachhaltiges Gärtnern und das ist natürlich und in dem SDG 15 Leben an Land, also Schutz der Biodiversität, das steht im Vordergrund, aber gleichzeitig eben auch dieses Netzwerken, das Miteinanderschaffen, das gibt uns ganz viel Kraft und Mut, wenn wir mit Gleichgesinnten solche Projekte machen. Also hilft dann auch, diesen Gap zu überwinden von dem Wissen, wie man sich nachhaltig vorhanden soll zum Handeln, wenn man eben Gleichgesinnte um sich hat, die das auch tun. Und an diesem Beispiel nachhaltiges Gärtnern kann man die ganze Palette der SDGs eigentlich auch gut zeigen. Und bei den SDGs finde ich so ein bisschen gefährlich, dass man abrutscht und sagt, wenn ich jetzt was mache, was sozial nachhaltig ist, z.B. für dieses SDG lebenswerte Kommune, wenn ich dafür was mache, bin ich schon nachhaltig. Das, glaube ich nicht, ich orientiere mich da mehr an dem Modell von Rockström und Sukhdev, dass es so Basis SDGs gibt, die die ökologische Grundlage bilden. Das sind sauberes Wasser, Klimawandel, Leben an Land, also Biodiversität, im Prinzip unsere natürlichen Ressourcen, von denen wir leben, hier auf der Erde. Und danach kommen die sozialen SDGs. Keine Armut, kein Hunger, Versorgung der Menschheit mit Trinkwasser, Bildung und dann on top erst die ökonomischen SDGs. So ist es einsortiert von Prof. Dr. Johann Rockström, der das Potsdam Institut für Klimaforschung leitet.

AvL: Aber grundsätzlich sind die SDGs dann eine gute Orientierung, inhaltlich. Wie kann ich das in meine Erwachsenenbildung oder in meinen Volkshochschulkurs mit einbringen, in mein Bildungsangebot, wenn ich Bildungsurlaub anbiete oder auch berufliche Fortbildung, da gibt es eben Orientierung über diese globalen Nachhaltigkeitsziele aus der Agenda 2030.

ML: In gewisser Weise finde ich es ja auch immer eine gute Hilfestellung, wenn man diese Struktur schon mal hat. Also dann kann man auch einfach mal da reingucken und sagen okay, hier wäre vielleicht ein Anknüpfungspunkt auch für das, was ich gerade mache. Also wenn ich jetzt nicht was ganz neu konzipieren will, sondern jetzt nur mal drüber nachdenke, was heißt jetzt dann BNE für mein Angebot? Aber dann heißt ich auch noch mehr. Sie haben ja auch gesagt, ganz wichtig ist auch die Frage wie gehen wir auf der methodischen Ebene sozusagen mit welchem Formaten gehen wir da um? Und da fand ich schön, dass Sie das gerade noch mal andeuteten. Es geht jetzt nicht drum, ich sage mal die Heilslehre zu verkünden, sondern es geht irgendwie um was anderes.

AvL: Ja vielleicht ein Satz noch zu den SDGs.

ML: Ja.

AvL: Wenn man sich da inhaltlich wirklich dran orientieren will, ist es eben sinnvoll, die auch ein bisschen zu kombinieren. Wenn ich jetzt so ein Angebot habe, wie zum Beispiel einen Kochkurs in der Volkshochschule, dann kann ich gucken, kann ich da was zum Klimawandel, kann ich da einen Bezug herstellen? Kann ich einen Bezug zum Wasser herstellen? Vielleicht virtuelles Wasser aus Anbau, aus Lebensmitteln? Kann ich einen Bezug darstellen auch zum globalen Handel sozusagen? Wo kommen die Lebensmittel her? Was haben die dann für einen globalen Fußabdruck oder CO2-Äquivalente? Und wenn ich das dann kombiniere, dann habe ich eben Verschiedene, dann habe ich die Artenvielfalt, also eine Pflanze, die man vielleicht essen kann. Ich habe vielleicht das kombiniert mit ökologischem Anbau und kombiniert mit einer globalen Perspektive. Und dann ist es eigentlich relativ leicht, wenn man über diese Kombi nachdenkt, so einen Kochkurs auch zu erweitern oder die Perspektive zu erweitern hin zu einem nachhaltigen oder BNE gemäßen Angebot. Jetzt noch mal inhaltlich betrachtet

ML: Ja.

AvL: und dann kämen wir auf die Methodik. Ich denke, viele Engagierte in der Erwachsenenbildung haben diese Methodik schon verinnerlicht. Es ist eben nicht so wie früher. Trichter auf Wissen rein, Trichter zu. Nein, wir haben einen konstruktivistischen Ansatz. Jeder schafft sich seine Wirklichkeit und man kann Angebote schaffen. Viele Menschen lernen einfach auch unterschiedlich. Manche brauchen Bilder, manche brauchen Erfahrungen selbst, manche können auch Erfahrungen adaptieren, die sie erzählt bekommen. Und da müssen wir eben unterschiedlich methodisch vielfältig arbeiten. Und es geht darum, Angebote zu schaffen, sodass die Menschen, die an den Angeboten teilnehmen, an den Lernangeboten teilnehmen, sich selber ein Bild machen können. Ist es etwas für mich ist es nichts für mich und dass die Entscheidungsfreiheit am Ende bleibt, des Einzelnen und auch eben aber Entscheidungsfähigkeit auch herausgebildet wird.

ML: Eigentlich eine schöne Überleitung, die Entscheidungsfähigkeit. Mehr jetzt noch zu dem Punkt, den Sie ja auch nannten, die Kompetenzvermittlung sozusagen. Also

AvL: Ja.

ML: dass wir jetzt nicht nur Fakten lernen und irgendwie Wissen anhäufen, sondern eben auch Kompetenzen, um damit umzugehen, die wie kann ich mir das vorstellen?

AvL: Ja, die wichtigste Kompetenz ist eigentlich eine Entscheidungsfindung-Kompetenz. Das beginnt damit, dass ich erst mal wissen muss, welche Informationen eigne ich mir an oder welche Informationen nehme ich als gegeben. Also unterscheiden zwischen guter und weniger guter Information, was eben auch gerade im Internet nicht ganz so einfach ist und nicht ganz so banal. Die ökologischen Zusammenhänge sind ja nicht so einfach. Bei der Entscheidung, kaufe ich mir ein E-Auto oder nicht, gibt es eben viele Vor- und Nachteile und ich muss mich da gründlich informieren. Es ist nicht mehr so, dass es ein gut und ein schlecht gibt, sondern es gibt nur ein besser und ein schlechter und man braucht viele Infos dazu. Diese Kompetenz, welche Infos kann ich mir wo beschaffen, die braucht man als Grundlage und dann muss man sich eben entscheiden können, welche Information nehme ich für mich als wahr an und man muss das dann umsetzen können in eine Handlungskompetenz. Also, was mache ich mit der Information? Und zu all dem kommt auch noch so eine soziale Kompetenz, sich eben mit anderen dazu auseinanderzusetzen. Man braucht auch eine gewisse Resilienz bei all diesen schlimmen Nachrichten, die wir jeden Tag zum Klimawandel haben. Ist es jetzt zu viel Schnee oder zu wenig Schnee.

AvL: Man hat so viele Nachrichten, die einen da vielleicht auch überfordern. Man braucht da auch so eine gewisse Widerstandsfähigkeit, die man eben auch durch diesen Kompetenzzuwachs erreicht.

ML: Und dann hatten Sie noch angesprochen, dass sozusagen ein Denken in Netzwerken quasi auch ein ganz zentraler Punkt ist und dass man - da kommen wir ja auch noch in der vierten Episode noch mal drauf - nicht alles alleine machen muss. Aber welche Netzwerkpartner oder Partnerinnen sind da irgendwie in Ihrem Blick wichtig und beteiligt

AvL: Na ja, wir stehen ja so vor so großen globalen Herausforderungen, dass wir die nicht mehr alleine lösen können. Es gibt ja viele Ansätze, was ein einzelner Mensch für Nachhaltigkeit tun kann und es ist auch eine ganze Menge. Man hat in vielen Punkten doch auch Einflussmöglichkeiten. Aber man braucht eben auch die Gesellschaft. Man braucht die Anderen. Man kommt allein dann nicht mehr weiter. Wir müssen das gemeinsam tun. Wir müssen schauen, dass wir uns da zusammentun. Zum einen, um eine gewisse Kraft zu entfalten, vielleicht auch in politischer Einflussnahme, in irgendeiner Art und Weise, als Konsumenten in eine Einflussnahme auf unseren Konsum, aber eben auch, um uns selbst zu stärken. Denn wenn wir da selbst uns in einer starken Community fühlen, die den gleichen Weg geht mit uns gemeinsam, dann sind wir auch motiviert und können das alles viel besser überstehen und mit Freude tun. In der Gruppe mit Freude neue Schritte gehen und eben nicht alleine nur das was suchen. Und diese Netzwerkkompetenz ist ganz wichtig. Aus diesem sozialen Aspekt heraus, aber natürlich auch vom Wissenszuwachs. Ich habe eben schon gesagt, die Probleme sind sehr komplex und es geht eben darum, Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen. Ich brauche vielleicht, wenn ich jetzt z.B. um Nahrungsmittel gut anzubauen, so dass wir Hunger auf der Welt reduzieren, da brauche ich Biologen, ich brauch Ökologen, ich brauche aber auch Menschen, die das dann wieder in andere Gesellschaftsgruppen reintragen. Also ich brauche ganz viele verschiedene Kompetenzen, um da voranzukommen. Und das gibt eben auch einen enormen Wissenszuwachs in einem Netzwerk. Was der Einzelne nicht kann, können viele gemeinsam.

ML: Ich finde, das ist auch so ein bisschen natürlich, was, das finde ich, schildern Sie ganz schön. Ja, das ist einerseits so eine Bereicherung und andererseits ja auch eine Entlastung oder eine, wo man auch Motivation gewinnt. Und bei dem Thema Entlastung fällt mir ein, manchmal kommt es einem ja auch sehr viel vor, was man da jetzt alles machen möchte, machen soll, wie auch immer. Und da habe ich letztens eine Regel gehört 80/20 für Veränderungen. Man lässt erst mal 80 % so wie es ist und fängt erstmal mit 20 % an, jetzt jenseits noch von dieser Pareto-Regel, dass man ja eh mit 20 % 80 % der Erfolge erzielt. Aber einfach nur um zu sagen, okay, ich versuche mal ein Teil zu verändern und dann danach den nächsten Teil und den nächsten. Ist das was, wo Sie sagen, das passt auch für BNE oder müssen wir jetzt gleich alle 100 % umstellen?

AvL: Nein, auf keinen Fall müssen wir alles gleich hundert Prozent richtig machen. Ich habe ja eben schon gesagt richtig und falsch - in den Kategorien, glaube ich, können wir gar nicht mehr denken. Es gibt nur richtiger oder weniger richtig, glaube ich. Und alles fängt mit dem ersten Schritt an! Dieses Pareto-Prinzip kann ein Anfang sein. Also ich würde jetzt glaube ich bevorzugen, wenn man nicht bei der bei den 20 % stehen bleibt, sondern sich auch Richtung 80 % bewegt, also kein Greenwashing in dem Sinne betreibt, sondern immer weiter geht, Schritt für Schritt zu der Ganzheitlichkeit hin. Aber es beginnt eben damit, dass wir sagen, wir machen jetzt nicht alles komplett neu, sondern wir fangen mit einem Ding an, das ich gut verändern kann. Ich selbst, ich bin in früheren Jahren auch mal ein wenig geklettert und ich finde es immer ein schönes Beispiel. Man steht mit drei Punkten fest am Fels und bewegt eine Hand nach vorne oder ein Bein und erst wenn das wieder einen sicheren Stand hat, nimmt man das nächste. Aber so kommt man beharrlich doch bis ganz nach oben und kann sich aus dem Sicheren raus bewegen. Es gibt natürlich auch Veränderungen, die so plötzlich über uns kommen, wo wir gezwungen sind, alles zu verändern und alles von Null auf 100 umzudrehen. Aber das sind ja, glaube ich, sehr schwierige Prozesse.

ML: Ja, das ist ein bisschen das Dilemma natürlich, das wir mitbekommen, dass wir jetzt seit - ich sag mal 50 Jahren oder vielleicht noch länger in gewisser Weise zu wenig tun und jetzt, das so ein bisschen aushalten müssen, dass nicht alles ruckzuck geht, sondern wir, genau wie Sie es beschreiben, also jetzt schon auch nicht vom Fels runterfallen sollten dabei, sondern gucken, dass wir den Weg dann beharrlich gehen können.

AvL: Ja, aber ich würde da die Hoffnung auch noch nicht ganz aufgeben. 50 Jahre sind in der Erdgeschichte ganz, ganz wenig Zeit und wir Menschen haben in den letzten 50 Jahren diesen Weg eingeschlagen. Das ist menschengemacht und wir Menschen können es auch wieder verändern. Wir können in den nächsten 50 Jahren auch noch einiges vielleicht wieder verbessern. Es liegt in unserer Hand.

ML: Das, was wir bisher gesagt haben, ist das Ding jetzt was, wo sie sagen würden, dass dockt so ganz einfach an, an das, was wir an Landschaft von Erwachsenenbildung haben? Oder braucht es da auch vielleicht so ein bisschen ein neues Rollenbild? Sie haben vorhin ja schon mal gesagt, dass viele auch schon so was anfangen und so was ein bisschen kennen. Aber wie schätzen Sie das ein?

AvL: Ja, absolut ein neues Rollenbild. Es gibt eben nicht mehr so die allwissende Lehrkraft, die weiß, wie es geht. Also früher hat man da einen Kurs gemacht, da hat einem jemand erzählt, wie das geht Autofahren, Englisch lernen, usw. So einfach ist es halt nicht mehr. Unsere Probleme sind komplex, das habe ich ja vorhin schon mal kurz erwähnt. Allein die Entscheidung, welche Tomate kaufe ich, kann schon schwierig sein. Viele Dinge sind zu beachten, ist sie ökologisch hergestellt? Aus welchem Land kommt sie? Wie viel Transport hat sie hinter sich? Kann ich überhaupt noch Tomaten essen? Ist sie Pestizidbelastet und wie teuer ist sie überhaupt? Also allein an dem Beispiel sieht man, es ist nicht mehr so banal und es kann nicht mehr so die allwissende Lehrkraft geben, die alles weiß und einfach sagt, macht es so und so, dann klappts das. Das glaube ich funktioniert auch in der Schule immer weniger und diese Zusammenhänge brauchen einfach komplexere Erklärungen und brauchen die Erfahrung von vielen. Und gerade in der Erwachsenenbildung hat man es ja mit erfahrenen Menschen zu tun, die alle auch ihre Erfahrung einbringen. Und diese Kompetenzen sollten man mit einbeziehen in das Lerngeschehen. Die haben neue Lösungsfindungen und neue Ideen, wie man Dinge lösen kann. Und das sollte man unbedingt nutzen, dieses Potenzial. Und insofern entwickelt man sich hin weg vom Lehrenden, von der lehrenden Person, hin zur Lernbegleiterin oder zum Lernbegleiter, um dann einfach interdisziplinär da auf Lösungen zu kommen, auf gute Lösungen.

ML: Das klingt für mich ein bisschen so, als könnte das ja auch was Entlastendes haben. Also ich muss jetzt auch als Lehrperson nicht sozusagen das alles lösen, sondern ich, wie Sie es beschreiben, ich begleite das, und es ist ein gemeinsamer Entwicklungsschritt.

AvL: Ja, es ist entlastend. Aber es ist natürlich auch eine Herausforderung, weil man sich auf einen Weg begibt, dessen Ende man unter Umständen nicht unbedingt kennt. Ja, das ist auch eine Sache, die Mut erfordert, gerade wenn man vielleicht noch geübt oder gelernt hat, das anders zu tun.

ML: Okay. Aber ich höre auch deutlich heraus, dass Sie fest davon überzeugt sind, dass das ein sinnvoller und richtiger Weg ist.

AvL: Ja, schon.

ML: Ich würde zum Abschluss Sie noch bitten, zwei Sätze zu ergänzen. Und das eine ist: BNE in der Praxis heißt vor allem?

AvL: Ja, für mich heißt das für das Leben lernen. Also ich war auf einem humanistischen Gymnasium, dann hieß es da schon so schön: „Non scolae, sed vitae discimus“. Und es bleibt ja so. Unser Leben ist komplex und wir müssen einfach auch das Lernen verändern, um gute Lösungen für das weitere Leben zu finden. Und mit BNE stärken wir uns für die Zukunft. Das ist für mich Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Praxis.

ML: Und dann der zweite Satz wäre noch: BNE lohnt sich für Bildungseinrichtungen, weil?

AvL: Wir brauchen jede Zielgruppe und jeden guten Kopf, um diese Zukunft aktiv weiter zu gestalten auf unserem Planeten. Und es ist ja mit dem guten Wort von Frau Merkel alternativlos - für mich. Wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, würde ich als Bildungseinrichtung mich entscheiden, dies nicht zu tun, würde mir kein guter Grund einfallen.

ML: Ja sehr plausibel. Herzlichen Dank, Frau van Look für das Gespräch. Mir ist klarer geworden, dass es schrittweise gehen kann und muss, dass es lokale Lösungen gibt, dass der Weg mit dem ersten Schritt beginnt. Und für alle, die noch ein bisschen nachlesen wollen, empfehlen wir diesmal einen Podcast mit Best Practice Beispielen der Deutschen UNESCO Kommission und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu Orten der Transformation. Den genauen Link und weitere Tipps zur Lektüre gibt es in den shownotes auf unserer Webseite. In der ersten Folge haben wir erfahren, was Bildung für nachhaltige Entwicklung ist und warum es sie braucht. In der zweiten Episode ist mir deutlich geworden, dass Transformationslernen sich von vielen klassischen Lernformaten unterscheidet. Heute haben wir erfahren, was es denn ganz praktisch braucht, um wirksame BNE-Angebote zu machen. Und für alle, die sich denken, das ist aber eine große Aufgabe, schaffe ich das denn alleine, zeigen wir beim nächsten Mal, dass es gemeinsam mit Gleichgesinnten besser geht als alleine. Bleiben Sie am Ball, bleiben Sie neugierig.

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