Staffel 2 - Episode 3 - Mutmachgeschichten

Shownotes

Gesprächspartnerinnen: Dr. Alexandra Bozat, Klimabildungslanschaft Vogelsberg: https://www.nachhaltig-lernen-vogelsberg.de/klimabildungslandschaft/ Kirsten Wegwerth, vhs Vogelsbergkreis: https://www.vhs-vogelsberg.de/ Gesprächspartner: Peter Reichenbach, sevengardens: https://sevengardens.eu/ Klaus Göbel, Schloss Buchenau: https://www.schloss-buchenau.de/

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Zukunft gestalten - der BNE-Podcast für die Erwachsenenbildung

Staffel 2 - Mutmachgeschichten

Michael Lobeck im Gespräch mit Peter Reichenbach von sevengardens, Dr. Alexandra Bozat von der Klimabildungslandschaft Vogelsberg Klaus Göbel vom Schloss Buchenau und Kirsten Wegwerth von der vhs Vogelsbergkreis.

PR: Ich hatte jetzt in Krefeld einen Workshop gehabt mit 20 Frauen über das kommunale Integrationszentrum. Und die kamen wirklich aus Tschetschenien, aus Syrien, aus dem Libanon, aus der gesamten levantinischen Küste rauf und runter, Marokko dabei, auch Serbien. Und ich habe mit denen, zum Glück ist es ja ein Podcast und ihr könnt mich nicht sehen. Ich habe mit denen einen Kosmetik-Workshop gemacht. Und dann sprachen wir über Concealer und Foundation und Primer und Smokey Eyes und keine Ahnung. Und die Mädels, die drehten völlig auf. Und die marokkanischen Frauen, die packten ihre Sachen auf den Tisch. Und ich habe wirklich nur fünf Minuten Intro gemacht. Und die haben sofort losgelegt. Und das war eine super Stimmung, es wird sich jetzt regelmäßig getroffen. Es wird über Land NRW finanziert. Weil diese Frauen, gehen später in die Berufsschulen, die sind Kulturrucksackschule, die gehen in Kitas rein und haben einen diabolischen Spaß daran, diese Farbherstellung aus Pflanzen zu machen. Und dann haben Sie zum Schluss festgestellt, das ist ja auch voll Bio eigentlich. Ich sage, ja klar, das war mein eigentliches Lernziel. Das hat immens Spaß gemacht. Ich liebe solche kleinen Workshops in Förderschulen, wo man einfach auch als Erfinder oder Projektautor von so einer Geschichte wirklich da am Ball bleibt bei den Menschen und einfach sieht, die für einen Spaß haben. Jedes Kind, was um die Ecke kommt, irgendein Moos zerkaut hat und mir in Hand spuckt und sagt, guck mal hier eine neue Farbe oder so, das feiere ich. Das sind so Hoffnungsträger einfach.

ML: So erzählt Peter Reichenbach von sevengardens. Was es damit genau auf sich hat, erfahren Sie gleich. Herzlich willkommen zur Episode Mutmachgeschichten, der zweiten Staffel unseres Podcasts „Zukunft gestalten - der BNE-Podcast für die Erwachsenenbildung“. Sie lernen in dieser Episode vier Menschen kennen, die auf ihre je eigene Art Bildungssituationen schaffen, die Menschen Lust zum Handeln machen.

Gemeinsam ist ihnen der Gedanke, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung überall stattfinden kann, wo Menschen aufeinandertreffen und ihre Vorstellungen von einem guten Leben und ihre Ressourcen miteinander teilen. Alle vier haben irgendwann begonnen ihren nachhaltigen Weg zu suchen und sich nicht beirren zu lassen. Dadurch machen sie uns Mut. Sie erfahren von einem weltumspannenden Netzwerk, von einer Volkshochschule, einer Klimabildungslandschaft und einem Tagungsschloss.

Viel Spaß dabei!

Mein Name ist Michael Lobeck und ich spreche hier mit Menschen, die Erwachsenenbildung neu denken und neu gestalten. Herzlich willkommen, Frau Alexandra Botzat, Herr Peter Reichenbach und Herr Klaus Göbel zu unserer Episode 3, zu Mutmachgeschichten zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung. Frau Dr. Botzat, Sie sind beim AZN-Naturerlebnishaus und bereiten gerade die Klimabildungslandschaft Vogelsberg vor.

Herr Reichenbach, Sie haben sevengardens entwickelt, ein ganz großes, inzwischen ganz großes Projekt mit weltweiter Vernetzung, wo Sie sich um Pflanzenfarben kümmern. Und Herr Göbel, Sie haben das Schloss Buchenau, weiß ich gar nicht, wie soll ich sagen, entwickelt, erfunden, umgesetzt, einen wunderbaren Tagungsort, wie Sie auf Ihrer Website schreiben, in der Mitte von Deutschland. Und jetzt würde mich mal von Ihnen interessieren, okay, was steckt da jeweils dahinter? Also was ist Ihr Anliegen und dann kommen wir weiter ins Gespräch. Herr Reichenbach, mögen Sie vielleicht anfangen? Was ist sevengardens?

PR: Ja, mittlerweile sind wir ein niedrigschwelliges Partizipationsmodell, was sich in einem globalen Netzwerk darstellt. So heißt es heute. Als es damals anfing, war ich einfach nur bildender Künstler, der Biofarbe haben wollte und so geizig war, sich ein 10-Milliliter-Töpfchen für 200 D-Mark damals zu kaufen. Dann kam ich mit meiner Frau auf die glorreiche Idee, einfach eine Schule mit einzubinden, weil ich eben auch ein sehr schlechter Gärtner bin. Und wir haben dann im Schulgarten eben angefangen, Färberpflanzen anzupflanzen und dieses verlorene Wissen wieder auszugraben. Da ist zusammen mit türkischen Müttern, mit der Hausmeisterin, mit einem Supermarkt und dem damaligen Fuhlrott-Museum ein Riesennetzwerk entstanden, innerhalb von ein, zwei Monaten. Ja, und seitdem wächst das Ganze. Das ist jetzt 30 Jahre her und die Gärten blühen und gedeihen.

ML: Wunderbar, das klingt sehr spannend. Ich hatte ja auch letztens die Freude, bei Ihnen an einem Workshop teilnehmen zu können. Kann ich jedem nur empfehlen. Sevengardens ist ein spannendes Projekt. Frau Botzat, Sie sind noch am Anfang, hatten Sie mir gesagt, dem Thema, zumindest mit dem Thema Klima-Bildungslandschaft Vogelsberg. Was ist das? Was ist auch das AZN-Naturerlebnishaus? Ja, was machen Sie da so?

AB: Ja, dann fange ich mal mit dem AZN an. Genau, das steht für Ausbildungszentrum Natur- und Umweltbildung und ist einfach eine außerschulische Bildungseinrichtung, die es seit 30 Jahren in Kirtorf im Vogelsberg gibt und ja, BNE, Umweltbildung, Klimabildung vor allem an den Schulen macht, aber auch für Erwachsene oft dann zusammen mit der VHS zum Beispiel.

Und ich koordiniere jetzt da seit vier Jahren erst mal das BNE-Netzwerk Vogelsberg. Das ist eins von neun hessischen BNE-Netzwerken, in dem jetzt im Vogelsberg vor allem Akteure aktiv sind, die sich eben für die nachhaltige Entwicklung der Region engagieren oder auch nur interessieren. Und jetzt ganz neu, seit Sommer, ist eben dann die Klimabildungslandschaft Vogelsberg gestartet. Da sind wir eine von fünf Klimabildungslandschaften des Hessischen Umweltministeriums.

Ja, die Klimabildungslandschaften sind eine Maßnahme des Klimaplans Hessen aus dem Handlungsbereich Bildung und Forschung und leisten so einen Beitrag, auch um die hessischen Klimaschutzziele zu erreichen. Die anderen vier Klimabildungslandschaften sind in Frankfurt, Marburg-Biedenkopf, Kassel und die Regionen um Wiesbaden und das Ganze läuft noch über vier Jahre bis Mitte 2028 und findet eben im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat statt.

Und wir hier im Vogelsberg führen als AZN das Projekt Klimabildungslandschaft Vogelsberg zusammen mit einem anderen Verein, dem Klimaverein Oberhessen, durch. Ja, was machen wir jetzt eigentlich? Es geht darum, Menschen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, nämlich Bildung, Wirtschaft, Kommune, Verwaltung, Klimaschutz und Zivilgesellschaft miteinander in Kontakt zu bringen rund um das Thema Klimawandel, Klimaschutz, Klimafolgenanpassung.

Also zu informieren, zu sensibilisieren und Kompetenzen zu stärken. Das geschieht dadurch, dass wir Informationen zur Verfügung stellen und Angebote zur Vernetzung und zum Austausch machen, also zu Netzwerktreffen einladen und auch Qualifizierungsangebote, Fortbildungsangebote machen. Und insgesamt sollen dann dabei auch ganz konkret Bildungsprojekte im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung entstehen. Und diese und das ganze große Projekt bekannter zu machen, setzen wir einen großen Schwerpunkt auf Öffentlichkeitsarbeit. Genau.

ML: Okay. Danke schön. Herr Göbel, Sie haben, ich wusste ja gerade nicht genau, wie ich es sagen soll, aber das können Sie uns ja verraten, ob Sie es erfunden haben oder umgesetzt oder was da der richtige Punkt ist, das Schloss Buchenau, auf jeden Fall entwickelt zu einer schönen Tagungsstätte. Sie haben am Anfang mal gesagt, als ich Sie gefragt habe, so richtig wüssten Sie gar nicht, ob Sie richtig sind in dem Kreis hier, weil Sie jetzt ja kein Erwachsenenbildner sind, der BNE macht. Erzählen Sie doch mal erstmal von Ihrem Schloss Buchenau und dann kommen wir zu der Frage, was das vielleicht auch hiermit zu tun haben kann.

KG: Ja, also ich habe es nicht erfunden. Es gibts schon seit über 400 Jahren. Ich habe es vor 24 Jahren gekauft. Da war das zu verkaufen, es war mal ein Internat. Ich bin von Beruf Elektroingenieur, also völlig fremd. Ich habe mich für meine damalige Firma für zwei Häuser interessiert. Es sind elf. Und die anderen gab es dann dabei. Lange Geschichte. Dann hatte man ein Schloss und zehn weitere Gebäude. Und dann habe ich peu à peu Nutzung dafür gesucht und gefunden. Und irgendwann kommen dann Zielgruppen dazu. Dass man sich auf Zielgruppen ausrichtet. Irgendwann kommt da ein Umweltgedanke dazu. Ja, das ist eigentlich die Kurzentwicklung. Und heute ist das ein Seminarhaus mit 135 Betten, verschiedenen Seminarräumen auf 45.000 m2; um die technischen Daten zu sagen. Und erfreut sich zum Glück bisher großer Beliebtheit, es kommt sogar der Paritätische Bildungsverband.

ML: Okay, auf ihrer Webseite habe ich gesehen, das steht, glaube ich, nur an einer Stelle, wenn man klimaneutral und umweltfreundlich tagen will. Was hat es damit auf sich?

KG: Na ja, also wenn man ein Seminarhaus betreibt, irgendwann in Zeiten von Luxus fängt man an und sagt, ja, eigentlich will ich ja neutral aus dieser Welt scheiden. Also ich möchte der Umwelt nicht schaden. Und dann fängt man an mit Maßnahmen. Ja, was weiß ich, das ist zum Beispiel eine Holzheizung, das sind zum Beispiel Elektroautos. Es sind Wärmepumpen, um im Energiesektor zu bleiben oder das sind biologisches Essen. Das ist aber eine Luxusentwicklung, die erst so nach zehn Jahren anfing. Am Anfang kämpft man erst mal ums Überleben. Und dann irgendwann kann man aber sagen, das ist eine gute Entwicklung und dann schläft man schöner. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Es ist nicht so, dass ich vor 24 Jahren gesagt habe, das ist meine Zielgruppe, da will ich hin, das und das mache ich. Sondern das ist eine stetige Entwicklung. Und irgendwann stellt man fest, ja, mit Erdöl, das ist ein bisschen doof. Das ist nicht nachhaltig und auch nicht kalkulierbar für mich. Und ja, dann ändert man das.

ML: Zusätzlich zu dem Gespräch mit Peter Reichenbach, Alexandra Botzat und Klaus Göbel habe ich noch mit Kirsten Wegwerth gesprochen. Sie leitet die Volkshochschule des Vogelsbergkreises. Sie berichtete mir von ihren Erfahrungen mit einem Bildungsurlaub, den sie sehr gelungen fand.

KW: Der Titel war: „Energie trifft Alltag und Beruf“. Und ist sehr breit gestreut gewesen. Und der Ansatz und das Konzept des Bildungsurlaubs waren ganz stark darauf ausgerichtet, die Teilnehmenden in ihrer Selbstwirksamkeit und in ihrer Handlungsfähigkeit zu stärken. Es ging unter anderem darum, das Thema Mobilität in den Blick zu nehmen, was gerade im ländlichen Raum wichtig ist und ein interessantes Thema. Gibt es die Möglichkeit, etwas anderes als das eigene Auto zu nutzen? Und wenn ja, was braucht es dafür? Und wen müssen wir gegebenenfalls als Verbündete schaffen, damit sich hier was ändert? Es konnten Dinge ausprobiert werden. Es wurden Lastenfahrräder und E-Bikes ausprobiert. Und es wurde auch die politische Ebene mit in den Blick genommen. Insofern, dass man gesagt hat, was kann ich als Person machen, wenn ich die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger vielleicht mit ins Boot holen will. Ich sage Ihnen, am Ende der Veranstaltung, es war super, ich bin am Ende der Woche reingekommen. Mir wurde viel berichtet, was sie erfahren haben und was sie jetzt für Ihren beruflichen, wie privaten Alltag aus dem Bereich Nachhaltigkeit leben und was sie mit dem Schwerpunkt Mobilität mitnehmen konnten.

ML: Und Sie formulierte zwei Anliegen, die Sie mit solchen Angeboten verfolgt.

KW: Was steckt eigentlich da drin in der Thematik? Was hat das mit mir zu tun? Und wie ist so die Reichweite meines Handelns und meines Wirkens im Lokalen, im Regionalen, aber auch im Globalen? Also, das ist ja immer der Anspruch, den wir haben bei der nachhaltigen Entwicklung. Also auch den großen Wurf zu wagen und zu schauen, wo sind wir auch überall verantwortlich und beteiligt.

Das ist für mich auch immer so das Thema. Einmal die Möglichkeit, also dieser aufklärerische, emanzipatorische Gedanke dabei, aber eben in erster Linie das Thema, die Handlungsfähigkeit derer stärken, die eigentlich schon wissen, was sie wollen. Und manchmal brauchen sie vielleicht nur noch mal einen anderen Kontext oder einen Raum, in dem sie sich sortieren können und dann ist eigentlich schon die Lösung in einem selbst drin.

ML: Herr Reichenbach, ich bleibe jetzt mal beim Sie, dann fällt es mir hier leichter. Also wir haben uns ja letztens in dem Workshop kennengelernt und das erinnert mich ein bisschen daran, so wie ich Sie verstanden habe, dass Sie eigentlich immer bei Ihren Sachen starten, bei den Dingen, die die Leute schon machen und können. Ja, also es ist jetzt gar nicht, wenn jetzt Herr Göbel sagt, ja okay, ich bin erst auf dem halben Weg, sag ich mal, oder ich komm da erst später zu. Ich hatte das Gefühl, ist für Sie ja gar kein Problem in ihrem Ansatz, sondern Sie gingen eigentlich davon aus, was ich sehr schön fand, von den Kompetenzen der Leute, die da sind. Und dann geht man sozusagen gemeinsam Schritte weiter. Ist das so halbwegs richtig verstanden?

PR: Ja, also nicht halbwegs verstanden, sondern eigentlich richtig verstanden. Wenn wir von einer gesellschaftlichen Transformation sprechen, dann ist ja eine Transformation immer ein Weg, auf dem wir uns befinden. Im Prinzip wie in der Grundschule, man muss jeden Menschen da abholen, wo er steht. Man muss die Kompetenzen stärken, die da sind. Man kann Wege aufweisen und Ziele und Visionen beschreiben, wo all diese Kinder mit uns zusammen als Pädagogen später mal landen werden, plus Eltern, plus Dorf, was mit erzieht, oder Stadt, die mit erzieht. Das sind ja alles Prozesse, die wir nicht einsehen können. Wenn wir uns die SDGs vor Augen halten, wo man denkt, das eine oder andere könnte man schaffen, das eine oder andere, da wird es schwierig. Man muss ja trotzdem anfangen. Diese Transformationsprozesse sind nichts anderes, als wenn ich mit meiner Zuckertüte vor der Grundschule stehe und sage, jetzt geht es los. Dann kann ich schon ein paar Sachen, die ich schon im Elternhaus gelernt habe, und viele Sachen werde ich noch lernen.

ML: Ja, schön. Frau Botzat, das fand ich auch in unserem Gespräch interessant, dass Sie, Sie haben gesagt, Sie haben ja einen Schwerpunkt Ernährung in dieser Klimabildungslandschaft. Und da fand ich ganz schön, wie Sie gesagt haben, wie Sie mit Landwirten ins Gespräch kommen zum Beispiel, die ja oft auch in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen zu Umwelt- und Naturschutz. Einerseits ist denen das sehr naheliegend, weil sie damit ständig zu tun haben? Andererseits haben die oft den Eindruck, wir werden hier gegängelt und es gibt so viele Vorschriften, so wie ich das aus der Presse und einigen wenigen Kontakten entnehme. Und da habe ich das Gefühl, das ist bei ihnen eigentlich auch ein Ansatz zu sagen, na ja, wir gucken jetzt auch nicht, dass wir denen eine Liste geben, hier diese 500 Sachen müsst ihr anders machen. Sondern, dass sie auch da loslegen, so ähnlich wie Herr Reichenbach das sagte. Was machen die denn schon alles? Ist das der Weg?

AB: Ja, genau. Also bei uns geht es auch darum, das Rad nicht neu zu erfinden, keine Doppelstrukturen aufzubauen, sondern eben Angebote zu schaffen, die die Leute auch wirklich nutzen können. Und genau einerseits eben über Vernetzung. Wir haben neben dem Schwerpunktthema nachhaltige Ernährung haben wir das Thema Tourismus, nachhaltiger Tourismus, weil es da einfach auch eine große Schnittmenge gibt und das die Leute auch zieht. Der Vogelsberg ist eine sehr schöne ländliche Region, die aber touristisch noch nicht im großen Stil vermarktet ist. Die kennt man jetzt nicht so wie die Eifel oder die Rhön vielleicht. Genau, da sehen wir mit den regionalen Produkten, die Landwirte hier vor Ort produzieren, ein großes Potenzial Leute zu erreichen und da auf Strukturen eben aufzubauen. Genau, auf diese Sachen, die schon bestehen, da setzen wir an. Da eben nicht von vorne anzufangen, sondern zu schauen, wo können wir anknüpfen.

ML: Und wie kam es dazu? Also wie ist diese Idee entstanden, jetzt sowas zu tun? Also einmal, Sie sagten, es ist eine von fünf Klimabildungslandschaften in Hessen, das heißt, da gab es vermutlich irgendeine Idee auch von jemand anderem, aber Sie mussten ja auch zumindest die Idee haben, das passt, das würden wir gerne mitmachen.

AB: Ja, total. Also es hat wirklich sehr, sehr gut gepasst. Es gab eben eine hessenweite Ausschreibung, die Anfang des Jahres rauskam. Und wir haben vor anderthalb Jahren, im Mai 2023, haben wir eine sogenannte Mitmachkonferenz im Vogelsbergkreis veranstaltet, in Lauterbach. Also wir haben das nicht als AZN bzw. BNE-Netzwerk alleine gemacht, sondern uns da vor allem mit dem Klimaverein, mit dem wir jetzt auch die Klimabildungslandschaft machen und der VHS und anderen wichtigen Akteuren zusammengetan.

Und da ging es darum, dass Menschen an Themen-Tischen zu Nachhaltigkeitsthemen, Ernährung, Mobilität, Energie und so weiter in so mehreren Diskussionsrunden vom Reden ins Tun kommen und tatsächlich Projektideen entwickeln. Und die Resonanz bei dieser Konferenz war riesig. Also es waren 300 Menschen da, es war so eine Atmosphäre, wie ein Nachhaltigkeitsfestival so ähnlich.

Und dann haben wir gemerkt, wow, ist ja wirklich ein riesiges Potenzial im Nachhaltigkeitsbereich und das ist gar nicht sichtbar. Und dadurch, dass es eben auch der ländliche Raum ist, ist es auch, wissen die voneinander auch gar nicht zum Teil. Und als jetzt diese Ausschreibung kam, haben wir gesehen, okay, das ist unsere Chance, das so richtig gut zu bündeln. Also all das, was schon da ist in einer gemeinsamen Webseite, einem gemeinsamen Veranstaltungskalender mit Fortbildung für bestimmte Zielgruppen darin, öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen und so weiter eben dann zusammenzubringen. So kam das.

ML: Stellt sich mir direkt die Frage, ob da schon sevengardens eine Rolle spielt in dem Projekt. Weil, das würde ja vermutlich passen?

AB: Es würde passen. Ich habe das auch mit Interesse gehört. Allein die Vorgehensweise, dass Sie mit einer Schule und dann der Supermarkt noch usw. kooperieren. Das ist so ähnlich, wie wir das hier auch machen würden. Wir sind ja noch ganz am Anfang. Wir machen das erst seit einem halben Jahr. Es geht noch bis Mitte 28. Also ich glaube, best practice von Ihnen können wir da sicherlich nutzen.

ML: Herr Reichenbach, wahrscheinlich haben Sie schon drei Ideen, wie es gehen könnte. Aber erst würde mich noch interessieren, wie es losging. Sie haben schon gesagt, sie brauchten damals andere Farben. Aber wie haben Sie die Idee, das mit den Pflanzenfarben zu machen, das ist die eine Idee und das andere ist ja dieses sozusagen, dass nicht nur für sich zu machen, sondern es breitzumachen und groß zu machen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

PR: Also ich bin ja schon ein bisschen älter und in den ganzen Nachhaltigkeitsdiskursen ist man schon länger einfach drin. Also spätestens seit Rio 92, aber davor, also das war auch bei meinem Elternhaus eigentlich immer Thema gewesen und, nee, war wirklich ein ganz egoistischer Ansatz. Also ich wollte einfach aus gesundheitlichen Gründen, wollte ich Biofarben haben, weil die großen Aufträge, die ich sonst mit Acrylfarben gemacht habe, gingen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr.

Und als wir uns dann mit der Grundschule auf den Weg gemacht haben, wo ich ehrenamtlich sonst mit Acrylfarben immer gearbeitet habe, wo ich gesagt habe, okay, ich kann hier nicht anfangen, die Kinder mit zu vergiften. Und dann eben das Thema Biofarben irgendwie aufs Tablett kam. Dann war klar, dieses Wissen ist verloren gegangen. Aus dem Museum, die sagten uns nur Krapp, Waid, Resede alles noch nie gehört. Und im Gartenbaucenter kennt man die Namen auch nicht.

Und dann ging es an eine türkische Mutter, die dann sagte, ja, kökboya, musst du nehmen und so. Und auf einmal ging es los. Das heißt, aus völlig anderen und unerwarteten Ecken kam auf einmal das Wissen. Und alles, was wir nicht haben, haben wir praktisch gemeinsam neu erfunden. Und da ich da dieser Weg gemeinsam von vornherein beschritten wurde, was ja auch im BNE-Diskurs versucht wird, dass wir nicht sagen, da müssen wir jetzt alle hin für alle jetzt Jutesäcke und Müsli-Riegel, sondern welche Produkte haben wir denn? Was gefällt uns denn? Was ist leicht? Was können wir ohne Erdöl herstellen?

Und wenn man so rangeht, kann eben so ein inneres Wachstum in einzelnen Kommunen stattfinden. Dann fange ich aber an in einer kleinen Kommune, in einer Stadt und so, dass alles auch für Kinder zu Fuß erreichbar ist. Dann habe ich so ein inneres Wachstum und habe dann Best Practice-Beispiel, weil ich irgendwo auf unserer schönen Erde irgendjemand anders zeigen kann und sage, guck mal, was die da in Wuppertal am Arrenberg gemacht haben. Und jetzt könnt ihr hier in Rio de Janeiro genau das gleiche auch machen und nachkupfern, das ist alles BNE. So dann fängt das an, so wie Akupunkturnageln zu wirken. So ist zumindest unsere hoffnungsvolle Theorie.

ML: Es gab keinen großen Masterplan, wir wollen 10.000 Leute haben. Gut.

Herr Göbel, wie kam es denn zu Ihrem Entschluss damals, das Schloss zu erwerben? Sie haben es schon ein bisschen angedeutet, man kommt dann auf Ideen und stellt fest, wie wir es bisher alle so machen, das ist vielleicht nicht ganz toll, und da kann man Stück für Stück etwas ändern. Aber wie kam es zu der Grundidee und wie kam es dazu, dass es sich so entwickelt hat?

KG: Die Grundidee war ja erst mal, dass ich Gewerberaum brauchte. Und dann hat sich das halt so ergeben über einen längeren Prozess, dass dieses Gelände hier zu verkaufen war. Und da ich aber eigentlich nur zwei Zimmer brauchte für meine damalige Firma, habe ich praktisch 100 Zimmer noch übriggehabt. Und dann sucht man für das Haben, sucht man Lösungen. Und so ist das entstanden. Was Nachhaltigkeit angeht, ist dann nachher erst entstanden. Am Anfang kämpft man ums Überleben. Und irgendwann stellt man fest, ja, ich möchte auch nachhaltig überleben und tut weitere Werte da rein. Aber es ist praktisch auch ein egoistischer Ansatz. Ich wollte einfach nur Raum haben. Dass das jetzt hier am Dorf ist und so weiter, habe ich damals nicht als Nachteil empfunden, empfinde ich heute auch noch nicht, obwohl das ja schon von außen betrachtet, schwierig ist. Wir sind natürlich mitten in Deutschland, das ist ein Vorteil, aber es ist nicht in der Stadt. Es war ein altes, zerfallenes Gelände. Ja, aber nach und nach hat sich das entwickelt.

ML: Und jetzt ist das so, zumindest bei meinen Projekten ist das oft so, dass es zwar eine Idee gibt und es gibt auch Schritte in die richtige Richtung, aber es klappt ja nicht immer alles. Haben Sie irgendwelche Hürden sozusagen gehabt, wo Sie sagen, das hätte fast das Ende bedeutet?

KG: Ja, Hürden, Ja. Ende, Nein. Also es war immer wirtschaftlich angelegt. Ich habe mich zum Glück nie auf irgendwelche Förderungen, was weiß ich, verlassen. Wo ich auch ziemlich am Anfang von enttäuscht wurde, also über ein Bauprojekt über drei Jahre, ist mir dann beim ersten Jahr ein paar Euro gegeben worden, dann gesagt worden, ja nächstes Jahr dann wird es. Das ist leider im Nachbarschloss gelandet, das Geld. Und da habe ich früh kennengelernt, eigenes verdientes Geld gibt sich besser aus.

Wir haben aber die Hürden immer gemeistert, durch andere Dinge, indem wir zum Beispiel in Richtung Nachhaltigkeit gegangen sind. Und das ist auch eine Motivation, also ein Herausstellungsmerkmal, dass wir sagen können, Leute, wenn ihr hier seid, ist das hier ein nachhaltiges Projekt, auch mit Mitarbeitern und so weiter.

ML: Und Herr Reichenbach, wie ist das bei Ihnen? Also als ich dabei war, klang alles so leicht und einfach. Aber ich vermute, es hat auch nicht immer ganz unproblematisch funktioniert.

PR: Doch, im Prinzip schon, weil dieses Mantra, was Herr Goebel gerade gesagt hat, ist genau richtig. Das ist das einzig Gute am Kapitalismus. Man kann frei handeln, man kann frei entscheiden, wofür man sein Geld ausgibt. Wenn man dann positiv unternehmerisch im Rahmen der Nachhaltigkeit wirtschaftet, kommt man schneller und weiter vorwärts, hat gar nicht die ganzen Reibungsverluste der Bürokratie. Man kann auch massiv in Kundenakquise gehen.

Und so sind wir genauso vorgegangen. Ich habe als Künstler gesagt, meine Bilder sind Bio. Wenn sie hässlich sind, ihr könnt sie essen oder schmeißt sie auf den Kompost. Das war einfach so Running Gag, den andere Kollegen nicht hatten. Da bin ich knallhart. Und wenn jetzt andere weiterhin fleißig ihre Acrylfarben malen, dann sag ich, ihr macht, ihr ist Plastiktüten produzieren. Im Supermarkt werden sie verboten und ihr hängt sie für 5.000 Euro in der Galerie. Da lästere ich richtig ab.

ML: Ja, sehr schön. Das heißt, wenn ich es richtig verstanden habe, da gab es eigentlich dadurch, dass sie auch so Stück für Stück vorgehen und erst mal von sich ausgehen und die Dinge so weiterentwickeln, wie es für sie passt, gab es eigentlich nicht viele, die gesagt haben, Peter, das darfst du so nicht machen, das wollen wir nicht haben, sondern sie haben eher Zuspruch gefunden.

PR: Die Einzigen, die gesagt haben, das kannst du so nicht machen, als wir von der UNESCO die Auszeichnung bekommen haben, damals als Dekade-Projekt, da gab es eine Fahne, ein Stempel und eine Urkunde. Die Fahne wurde am Arrenberg sofort geklaut am nächsten Tag, die Urkunde ist verschwunden, den Stempel haben wir heute noch, wo die Dekade also schon lange vorbei ist. Und den kloppen wir auf selbstgemachte Urkunden wie geschnitten Brot. Und da die UNESCO auch gesagt, man kann es so nicht machen. Ich sag, dann haltet mich doch fest. Wer soll mich daran hindern? Und jedes Kind und der Typ im Supermarkt und jeder Opa und alle Omas, mitgemacht haben, haben von uns eine UNESCO-Urkunde bekommen. Und ob es jetzt meine eigenen bescheidenen Schulzeugnisse waren oder die der türkischen Mutter, die gesagt hat, ich musste fliehen aus Kurdistan, ich habe gar kein Zeugnis, haben wir zack zack, selbstgemachter Farbe, hat sie dann ihre Urkunde bekommen von sevengardens mit UNESCO-Stempelchen drauf. Ja und irgendwann war es, mein Sohn hat gesagt, too big to fail.

ML: Ja, sehr schön. Frau Botzat, Sie sind ja noch relativ am Anfang mit der Klimabildungslandschaft, aber Sie haben ja auch schon viele andere Projekte gemacht. Mich würde mal interessieren, wenn Sie so darüber nachdenken, auch an Hürden in diesem Feld und aber auch vielleicht andersherum an Gelingensbedingungen. Also wo würden Sie sagen, das und das ist eigentlich das, wo Sie immer denken, wenn ich es so mache, dann wird es schon gehen.

AB: Ja, so als jahrelange Netzwerkerin würde ich jetzt sagen, natürlich unbedingt in Netzwerken denken. Nicht allein auf weiter Flur, sondern es gibt ja einfach auch schon unglaublich viele andere Netzwerke, sei es die Landfrauen, sei es irgendwie Demokratieleben, das Bundesförderprogramm ist hier im Vogelsberg auch vorhanden, und auch wir haben noch ein anderes, so ein größeres Kulturprojekt, das nennt sich TraVogelsberg. Da ging es kulturelle Transformationen, kulturelle Bildung und damit Transformation voranbringen. Da ist auch ein Riesen-Netzwerk an Kulturschaffenden entstanden und dabei auch so diesen Spaßfaktor mitdenken. Wie erreicht man die Menschen? Also da komme ich jetzt vielleicht gleich zur Hürde. BNE ist ja oft sehr abstrakt bei Klimabildung. Klimabildungslandschaft ist auch sich erstmal eine Hürde, das überhaupt begreifbar zu machen, worum es da gehen könnte und was da auch jeder und jeder Einzelne von haben könnte.

Ja, da tatsächlich die Leute ja da abzuholen, wo sie auch selbst schon unterwegs sind. Das wurde ja auch schon genannt. Wenn ich im Restaurant sitze und auf einer Speisekarte lese, dass jetzt hier regionale Produkte angeboten werden und das ist das, was mit Klimawandel und Klimaschutz zu tun hat, dann ist das auch eine Bildungssituation. Und darüber dann auch die Leute ja zu motivieren, selber zu Bildungsakteuren und Multiplikatoren/Multiplikatorinnen zu werden, dass das Potenzial da ist. Ob ich jetzt eine Gruppe Kinder auf meinem Betrieb in der Landwirtschaft rumführe oder ob ich was koche in der VHS. Das sind alles spannende Multiplikationsfelder.

ML: Auch Kirsten Wegwerth hält Netzwerke für eine gute Idee. Zum Beispiel zur gemeinsamen Organisation von Angeboten und zur Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit.

KW: Und das Tolle und Schöne daran war, dass das zwar ein Angebot der Volkshochschule ist, aber generiert wurde aus einem Resultat, aus einer Netzwerkarbeit und aus einer Kooperation. Das heißt, das Konzept, auf dem der Bildungsurlaub fußt, ist aus der Kooperation zwischen der Landesenergieagentur Lea und dem Hessischen Volkshochschulverband generiert worden.

Und aus meiner anderen Netzwerkarbeit, ich bin hier im Vogelsbergkreis im Netzwerk Bildung für nachhaltige Entwicklung, habe ich Kontakt zu tollen ReferentInnen finden können, die ich für den Bildungsurlaub auch gewinnen konnte.

Und es hat natürlich auch immer was mit Öffentlichkeitsarbeit zu tun. Und das ist ja auch immer das, worin ich den großen Mehrwert auch bei Vernetzung und Kooperation sehe, dass wir gemeinsam einander erkennen, entdecken, die, die sich mit dem Thema der Nachhaltigkeit und der Bildung für nachhaltige Entwicklung beschäftigen. Weil oftmals erreichen wir ja viele Menschen in Blasen, die schon interessiert sind und so. Aber wenn wir mehr werden, dann haben wir zumindest die Chance, größere Schnittmengen herzustellen oder den Kreis derer, die sich interessieren einfach zu erweitern. Und es ist auch die Chance, nochmal andere Menschen zu entdecken oder andere Orte zu finden, an denen wir vielleicht sichtbar werden können, wo wir dann andere Menschen vielleicht auch erreichen können oder von denen erreicht werden können.

ML: Ja, Herr Göbel, bei Ihnen hatte ich gerade den Eindruck, Sie sind eher nicht so doll in Netzwerken unterwegs, sondern Sie machen das Ding aus Ihrer Sicht heraus und bringen das an den Markt. Und damit schaffen Sie natürlich auch wieder andere Netzwerke, weil, wir kommen ja nicht zufällig auf Sie, sondern das Paritätische Bildungswerk Hessen hat ja genau das Denkbarcamp bei Ihnen gemacht. Und wenn Sie das jetzt alles schrecklich gefunden hätten, wären Sie wahrscheinlich jetzt nicht mit in der Runde. Sondern die hatten den Eindruck, wow, das ist ein super Ort, um über diese Themen nachzudenken. Also nicht nur, weil sie in der schönen Landschaft liegen, sondern auch, weil sie sich in ihrem Haus offensichtlich wohlgefühlt haben und da gut agieren konnten.

Wie ist das für Sie? Also ich meine, Sie haben ja wahrscheinlich auch ganz andere Kundinnen und Kunden, die jetzt damit gar nichts zu tun haben. Aber ist das ganz angenehm sozusagen, wenn Sie sehen, ja, das geht auch in diese Richtung, die Sie auch mit einigen Schritten verfolgen?

KG: Na ja, das Thema Netzwerken sind ja zwei Sachen. Ich sag mal, einmal muss man diesen Betrieb hier sehen. Das ist ein ganz normaler wirtschaftlicher Betrieb. Und in den Anfangsphasen gab es mal die Idee, dieses Schloss als Verein zu betreiben. Das war natürlich nicht von Erfolg gekrönt, weil mit so viel Stimmen kann man solche weitreichenden Entscheidungen auch nicht machen.

Sodass ich sehr froh bin, dass ich allein hier bin und Entscheidungen und Dinge fällen kann, ohne Gremium. Aber natürlich muss ich in ein Netzwerk eingebunden sein, um das zu vermarkten. Und das ist auch so. Das heißt, hier kommen ja, was weiß ich, Bioland, Demeter und so weiter, Naturland her. Das ist ja quasi auch ein Netzwerk. Aber ich sag mal, für den reinen wirtschaftlichen Betrieb ist das Netzwerk jetzt sinnlos und auch schädlich. Also das haben wir probiert. Das waren sieben Stimmen damals, sieben in eine andere Richtung. Und wenn man eine falsche Entscheidung fällt, hat das einen auch ruckzuck umgeworfen, weil das sehr hohe Kosten sind natürlich. Und das kann man mit so vielen Menschen nicht machen. Das ist schon mal innen, sind wir kein Netzwerk, wenn Sie so wollen, aber nach außen muss man das ja sein.

ML: Also das finde ich nochmal ein ganz spannender Punkt. Herr Reichenbach, wie machen Sie das denn? Sie haben einen Verein, heißt Atavus, der hat damit irgendwie zu tun, aber wie genau weiß ich gar nicht. Oder sind Sie eigentlich der Chef?

PR: Den Verein, den haben wir damals gegründet, weil zur Kulturhauptstadt brauchte man halt einen Verein, um Fördermittel zu bekommen. Das waren die einzigen Fördermittel, die wir jemals 2010 bekommen haben. Und die Abrechnung danach, die hat mich noch mal ein Jahr beschäftigt. Also das Geld, hätte es am Schluss gern zurück überwiesen, das war wirklich die Hölle. Wo ich den Herrn Goebel widersprechen möchte oder zumindest, wie sagte Wittgenstein, die Begrifflichkeit der Dinge müssen wir erklären.

Netzwerk, auch als Gründer oder Besitzer von einer Firma bin ich ja in einem Netzwerk drin. Das heißt, Herr Göbel, Sie werden nicht alle Betten selber machen, auch den Rasen nicht alle selber mähen, gehe ich mal von aus. Dann werden diese Leute, die diese Arbeiten übernehmen, werden auch Familienmitglieder haben. Ihr Schloss wird auch in die Kommune hineinwirken. Sie werden Zulieferer haben. Auch diese Zulieferer haben wieder Familien. Und wenn Ihr Kernprojekt so toll ist, dass die Leute sagen, wow, wir können das Schlösschen vom Göbel beliefern, dann hat es eine nachhaltige informelle Wirkung, wie im Prinzip jetzt auch versucht wird, am Vogelsberg zu installieren. Also dieses informelle Lernen, dieses informelle Wirken, das kann ich auch als knallharter Gründer, als Kapitalist, der sagt, ich mache jede Entscheidung selber. Ja, vielleicht muss man das Netzwerk anders formulieren, weil Netzwerk hat immer so eine gefangene Struktur. Da sind so viele Knoten, und man wird gezogen und man kann nicht frei entscheiden. Vielleicht müsste man eher so einen Begriff wie Fluid erfinden oder keine Ahnung, da sind wir noch dran.

Letztendlich ist kein Mensch eine Insel, wir sind alle miteinander verbunden. Und je mehr ich nachhaltig wirke und je mehr ich auch anderen eine gewisse Kompetenz in ihrer nachhaltigen Wirkung zugestehe, desto eher entsteht so ein „Netzwerk“ oder Verbindungen oder wie auch immer. Und das ist eine sehr positive Sache, weil es ja auch wieder eine Kundenbindung beinhaltet.

AB: Ja, das merken wir auf jeden Fall auch. Vorher mit dem BNE-Netzwerk, da ging es quasi auch ums Netzwerken. Und jetzt geht es auch darum, lokal angepasste Projekte zu entwickeln. Und deswegen haben wir uns eben für diese, diese anschlussfähigen Themen Ernährung, Tourismus entschieden und dann noch weiter runtergebrochen ist die Idee Gemeinschaftsgärten. Also vielleicht kommen wir da noch auf den zu mit den Färberpflanzen an Lernorten, Schulen, aber auch größer gedacht, vielleicht auch bei Firmen. Dann da direkt auch die Angebote zu entwickeln für und eben nicht in diesem Abstrakten zu bleiben. Und dafür ist die Vernetzung dann auch viel konkreter. Da merken wir auch allein auf den Netzwerktreffen kommen schon viel mehr Leute, weil, es ist greifbarer und konkreter ist und macht dann auch mehr Spaß.

ML: Jetzt fände ich noch interessant, also in Richtung Abschluss unseres Gesprächs, was haben Sie denn noch vor? Oder geht jetzt einfach alles so weiter? Oder gibt es ein paar Dinge im Hinterkopf, das könnte ich mir vorstellen in die Richtung, das könnte ich das noch gut weiterentwickeln und das wäre eine tolle Sache. Hat da jemand noch was in petto?

KG: Ja, also wenn Sie mich fragen, ich habe noch 1000 Ideen, was man machen kann in allen Himmelsrichtungen mit diesem Gelände, klar, es bietet noch Möglichkeiten. Ich habe auch noch ein Haus gar nicht renoviert. Ich habe noch Ideen, was man mit dem Gelände an sich machen könnte. Aber es ist, wie auch die letzten 24 Jahre, es ist nie ein Bruch drin. Also, man hört seinen Kunden zu, wo die Bedürfnisse sind, das ist das ganze Geheimnis dieses Hauses. Ich habe von Anfang an gehört, was braucht ihr? Und dann irgendwann dann erzählt, ich würde gerne alleine duschen, dann musste ich Duschräume in die Zimmer bauen. Und so ganz pragmatische Dinge. Und so ist das heute auch noch. Die haben auch noch Wünsche, die ich den Leuten nicht erfüllen konnte bisher, und daran arbeite ich. Das ist eigentlich das Geheimnis des Erfolges. Und natürlich will ich auch noch autarker werden, was Energie angeht und so weiter. Und deswegen bauen wir Solaranlagen und was weiß ich. Also da gibt es noch sehr viel zu tun. Ich sehe da noch lange kein Ende.

ML: Und einen Färbergarten haben Sie wahrscheinlich auch noch nicht, oder?

KG: Nein, aber ich habe sehr aufmerksam zugehört und das habe ich mir schon im Internet angeguckt. Sehr interessante Sache. Ich habe Garten noch genug.

ML: Okay. Wie ist es bei Ihnen, Herr Reichenbach und Frau Botzat? Haben Sie noch was im Kopf, wo Sie sagen, das würde ich gerne noch machen, bisher hat es noch nicht geklappt, aber das steht noch auf der Liste sozusagen. Oder im Hinterkopf oder als ...

AB: Also, ist ja wirklich erst ganz am Anfang das Projekt, aber genau, wir wollen die Zielgruppe der Kommunen einfach auch noch mehr bedienen oder auf die zugehen. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die Kreisverwaltung, das als Querschnittsaufgabe zu begreifen, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und BNE da auch als Tool zu sehen. Und über Ernährung und Tourismus, denke ich, haben wir da auch eine ganz gute Chance. Da bin ich jetzt gespannt.

Und was ich spannend finde, ist, die Leute in den Vogelsberg zu holen, um dort tatsächlich auch vielleicht Pflegemaßnahmen durchzuführen, Baumschutz- und Baumpflanzaktionen. So wie das der Klimaverein, unser Partner in der Klimabildungslandschaft ja auch schon macht. Das ist so ein richtiger Macherverein. Und dabei passiert einfach so viel. Das sind so diese emotionalen Erfahrungen, die ich dabei mache. Genau. Das ist so eine Vision, sozusagen mit diesem richtig was tun oder auf dem Garten anlegen und da auch die Kultur noch mitzunehmen. Da kommen einfach ganz spannende Formate nochmal von der kulturellen Bildung, die wir in der BNE vielleicht noch nicht so nutzen. Das sind so meine Visionen.

ML: Herr Reichenbach, übernehmen Sie die UNESCO.

PR: Nein, auf keinen Fall.

Wir sind jüngst ausgezeichnet worden als Regional Center of Expertise for Sustainable Development und haben, von der United Nations University ist die Methode, als Bildungsmethode akkreditiert worden. Wir haben eine Einladung nach Osaka bekommen zur Expo. Die internationale Gartenschau 2027 steht hier vor der Tür. Aber das sind alles so Projekte, wo ich mittlerweile gar nicht mehr so Lust dran habe, weil, das läuft ja eh.

Ich hatte jetzt in Krefeld einen Workshop gehabt mit 20 Frauen über das kommunale Integrationszentrum. Und die kamen wirklich aus Tschetschenien, aus Syrien, aus dem Libanon, aus der gesamten levantinischen Küste rauf und runter, Marokko dabei, auch Serbien. Und ich habe mit denen, zum Glück ist es ja ein Podcast und ihr könnt mich nicht sehen. Ich habe mit denen einen Kosmetik-Workshop gemacht. Und dann sprachen wir über Concealer und Foundation und Primer und Smokey Eyes und keine Ahnung. Und die Mädels, die drehten völlig auf. Und die marokkanischen Frauen, die packen ihre Sachen auf den Tisch. Und ich habe wirklich nur fünf Minuten Intro gemacht. Und die haben sofort losgelegt. Und das war eine super Stimmung, es wird sich jetzt regelmäßig getroffen. Es wird über Land NRW finanziert. Weil diese Frauen, gehen später in die Berufsschulen, die sind Kulturrucksackschule, die gehen in Kitas rein und haben einen diabolischen Spaß daran, diese Farbherstellung aus Pflanzen zu machen. Und dann haben Sie zum Schluss festgestellt, das ist ja auch voll Bio eigentlich. Ich sage, ja klar, das war mein eigentliches Lernziel. Das hat immens Spaß gemacht. Ich liebe solche kleinen Workshops in Förderschulen, wo man einfach auch als Erfinder oder Projektautor von so einer Geschichte wirklich da am Ball bleibt bei den Menschen und einfach sieht, was die für einen Spaß haben. Jedes Kind, was die Ecke kommt, irgendein Moos zerkaut hat und mir in Hand spuckt und sagt, guck mal hier eine neue Farbe oder so, das feiere ich. Das sind so Hoffnungsträger einfach.

Ich freue mich auf den nächsten Tag im Garten.

ML: Sehr schön.

Kisten Wegwerth hat mir zwei Dinge genannt, die sie gerne verstärken will. Zu den Menschen gehen und mehr Humor in der BNE.

KW: Also nicht darauf zu warten, dass die Menschen in die eigenen Einrichtungen kommen. Das ist auch gut und richtig. Aber eben auch dorthin gehen, wo wir vermuten oder wo wir vielleicht denken, dass wir dort Menschen auch treffen, die sich auch mit dem Thema auseinandersetzen wollen. Und dazu bietet sich natürlich das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung an. Weil, ob das im kulturellen Kontext oder im Umweltkontext ist, um zu verstehen, worum es geht, ist das Aufsuchende auch in der Natur oder in der Kultur immer am einfachsten, um es auch zu verstehen und daran zu lernen.

Ich bin mehr auf der Suche nach dem Humor in der Auseinandersetzung mit dem Thema und in den Angebotsformaten, die Schwere rauszunehmen, weil, keiner setzt sich gern mit Katastrophe auseinander, sondern versucht davor zu flüchten oder es zu ignorieren und sich anderweitig abzulenken. Und oftmals machen wir es im Sinne von Konsumieren.

Ich glaube aber, wenn wir emotional erfreut sind oder angereichert sind und wenn es über Humor ist, den ich sehr wichtig und sehr klug finde. Da werde ich mich in der Zukunft noch mehr mit auseinandersetzen, um darüber zu versuchen, das Thema und die Menschen zusammenzubringen. Es braucht ja Zuversicht, um sich in der Welt nachhaltig aufzustellen weiterhin und sich mit den nicht einfachen Themen auseinanderzusetzen. Aber ich glaube, dass es möglich ist.

PR: Und ich freue mich schon auf den Vogelsberg und ich freue mich auch auf das Schlösschen von Herrn Göbel. Dass wir da einfach was zusammen machen können, wäre schon toll.

KG: Sie sind eingeladen.

ML: Dann vielen Dank an Sie alle. Mir hat es viel Spaß gemacht. Ich fand es sehr interessant, ganz unterschiedliche Aspekte kennenzulernen, die Bildung für nachhaltige Entwicklung unterstützen und in die Welt bringen können. Sie haben alle bei mir ein Bild entstehen lassen, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung an ganz unterschiedlichen Orten stattfinden kann, da wo Menschen sich treffen und ihre Vorstellung von einem guten Leben austauschen und ihre Ressourcen miteinander teilen.

Liebe Hörerinnen und Hörer, schauen Sie doch auch in unsere Shownotes, in denen Sie Links zu den vorgestellten Projekten finden. Vielleicht fahren Sie auch einfach mal an diesen Orten vorbei, besuchen einen sevengardens Workshop, erkunden die Klimabildungslandschaft Vogelsberg, übernachten mit oder ohne Tagung auf Schloss Buchenau oder buchen einen Bildungsurlaub in der Volkshochschule des Vogelsbergkreises. Herzlichen Dank!

Damit ist die dritte Episode der zweiten Staffel unseres Podcasts Zukunft gestalten zu Ende. Sie haben in dieser Staffel erfahren, welche psychologischen Voraussetzungen es braucht, um Neues anzugehen. Susanne Waldow-Meier hat uns dazu erläutert, wie wir trotz zahlreicher Krisen ins Handeln kommen können und dass dabei zentral ist, unsere Gefühle und die unserer Teilnehmenden mit in den Blick zu nehmen.

Eva Heinold-Krug, Antje van Look, Christina Krack, Silke Töpfer und Hanne Winter haben in der zweiten Episode am Beispiel eines Barcamps erläutert, welche konkreten Elemente helfen, um gemeinsam nicht nur wichtige Themen zu besprechen, sondern auch etwas umzusetzen. Und Peter Reichenbach, Alexandra Botzat, Klaus Göbel und Kirsten Wegwerth haben uns mit den Mutmachgeschichten teilhaben lassen an kleinen und großen Projekten, die einen Beitrag dazu leisten, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung tatsächlich etwas bewirkt in der Welt.

Ich hoffe, das eine oder andere hat Sie angeregt und bestärkt, selbst weiterhin oder auch neu aktiv zu werden und als Erwachsenenbildner*in Bildung für nachhaltige Entwicklung als Chance zu sehen, die Welt zu gestalten. Mehr Informationen und auch unsere erste Staffel mit vielen praktischen Hinweisen zur Gestaltung von Bildungsangeboten finden Sie auf der Homepage des Paritätischen Bildungswerks Hessen e.V. Wir wünschen Ihnen viel Spaß und Erfolg auf ihrer weiteren Reise.

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